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Pater Peter Uzor: „Wer erkennt, dass Gott die Liebe ist, der ist wieder Kind geworden“

Seine Auslegung der Sonntagslesung (1 Joh 4, 11-16) leitete unser geistlicher Begleiter Pater Dr. Peter Uzor in seiner Sonntagsmesse in der Pfarrei St. Otto Ebersdorf bei Coburg mit folgenden Worten ein:

„Gott ist Liebe, verschwenderischer Lebensquell, anders als wir Menschen, die wir oft für uns behalten wollen, eingrenzen und ausgrenzen, steril werden. Brennpunkt christlichen Denkens darüber und Handelns danach ist Jesus Christus. Er verkündete einen Gott nicht nur der Liebe, sondern der Feindesliebe, einen Gott, der seine Sonne aufgehen lässt über Gerechte und Ungerechte. Und er lebte diese Liebe bis zum Ende, bis zur Lebens­ hingabe am Kreuz. Dieser Liebe wollen wir uns jetzt öffnen und uns von ihr verwandeln lassen.“

 

Hier die Worte der Predigt von Pater Peter Uzor:

Als wir noch Kinder waren, fiel es uns leicht, an den „lieben Gott“ zu glauben. Als die Welt für uns noch heil war und wir die dunklen Seiten des Lebens noch nicht kannten, da gingen wir wie selbstverständlich davon aus, dass Gott ein lieber Gott ist und alle Menschen liebe Menschen sind. Doch dieser Glaube hat nicht lange vorgehalten. Eines Ta­ges ist im Leben eines jeden von uns etwas passiert, was diesen Glauben an Gott und die Menschen erschüttert hat. Das kann die Erfahrung vom Tod eines lieben Menschen gewesen sein oder eine zerbrochene Freundschaft; das war vielleicht ein innig gesprochenes, aber unerhört gebliebenes Gebet; es war möglicherweise eine ungerechte Bestrafung, ein persönliches Versagen, eine Schuld, mit der ich nicht fertiggeworden bin, oder eine Verletzung, die mir zugefügt wurde; es war vielleicht die Erfahrung, abgelehnt, ent­täuscht, betrogen und verletzt zu werden; und es war nicht selten auch die Vermittlung der Kirche, die Gott als einen gestrengen Buchhalter und Wächter über alles Tun und Las­sen hinstellte, die uns tiefe Zweifel an Gott und den Men­schen eingab.

Je älter wir werden, desto nüchterner sehen wir die Wirk­lichkeit um uns herum. Und wir merken, dass diese Wirk­lichkeit mit der ungetrübten Sicht unserer Kindheit nicht mehr übereinstimmt.

Es gibt – wenn überhaupt – nur noch wenige Menschen, de­nen wir rückhaltlos vertrauen können. Nur von ganz weni­gen können wir sagen, dass wir sie lieben und glauben, dass sie uns ebenso lieben. Zu vielen Menschen ist unser Ver­hältnis getrübt durch schlechte Erfahrungen oder sogar ab­gebrochen aufgrund von Enttäuschungen. Wir sind vorsichtig geworden, und in uns sitzt tiefes Misstrauen. Wir gehen nicht mehr wie Kinder unbefangen davon aus, dass es jeder Mensch gut mit uns meint, sondern wir vermuten erst einmal unlautere Absichten und lassen uns nur schwer vom Gegenteil überzeugen.

Und nicht nur an der Gerechtigkeit und Güte der Men­schen zweifeln wir, sondern auch an der Gerechtigkeit und Güte Gottes. Wie kann er all das zulassen, was tagtäglich auf unserer Welt geschieht? Wieso greift er nicht ein und macht alles wieder gut?

All diese Fragen und Zweifel machen uns das Leben schwer.

Doch ich glaube, dass hinter allem Misstrauen und allen Enttäuschungen bei jedem von uns immer noch ein Funken Sehnsucht glimmt, dass es anders sein möge.

Die Sehnsucht danach, geliebt zu werden. Die Sehnsucht danach, arglos und unbelastet mit den Menschen umgehen zu können. Die Sehnsucht danach, das eigene Leben und die Welt in guten Händen zu wissen.

Diese Sehnsucht in uns spricht Jo­hannes mit seinem Brief an (siehe 1 Joh 4, 11-16). Immer wieder taucht in diesem Schreiben der Wunsch auf, wir möchten wieder Kinder werden: Kinder Gottes, die zu ihm dieses ungebrochene Vertrauen haben, wie es Kinder in ihre Eltern setzen.

Das Vertrauen, dass er uns liebt, dass er es gut mit uns meint und dass er uns so annimmt, wie wir sind. Für uns Erwachsene mag das zwar schön klingen, aber un­möglich erscheinen. Sitzen unsere Zweifel nicht schon zu tief? Sind die Narben unserer Enttäuschungen denn nicht immer noch spürbar? Haben wir nicht schon so viel einstec­ken müssen, dass wir lieber allem und jedem aus dem Weg gehen, was uns wieder enttäuschen könnte? Sind wir nicht eher gebrannte Kinder, die das Feuer durch menschliche Verletzungen scheuen, als Kinder Gottes, die auf Liebe und Wohlwollen bauen?

Übertragen wir nicht unbewusst unsere Vorsicht und Skep­sis den Menschen gegenüber auch auf Gott?

Johannes meint, es sollte umgekehrt sein. „Wir haben die Liebe erkannt und an die Liebe geglaubt, die Gott zu uns hat“, schreibt er. Für ihn sind Christen zunächst einmal Menschen, die an die Liebe Gottes glauben und die diese Liebe annehmen.

Das ist der erste und schwierigste Schritt für uns. Denn dazu müssen wir durch alle Zweifel und alles Misstrauen hindurch eine Bresche für den Glauben schlagen, dass Gott uns liebt. Und wir müssen uns frei machen von allem Lei­stungsdenken, das wir Gott gegenüber immer noch hegen, und von aller Angst, die unser Verhältnis zu ihm immer noch belastet. Wir brauchen uns seine Zuneigung nicht zu verdienen. Sie ist einfach da. Wir bekommen seine Liebe gratis – umsonst, aus Gnade.

Dieser Glaube ist schwer wiederzugewinnen. Aber wenn er einmal tief in uns verwurzelt ist und unser Leben trägt, dann werden wir auch nachvollziehen können, was Johan­nes weiter schreibt: „Wenn Gott uns so geliebt hat, dann müssen auch wir einander lieben.“

Das Gebot „Liebe deinen Nächsten so, wie du dich selber von Gott geliebt weißt“, wird dann keine äußerliche Verpflichtung bleiben, sondern ein inneres Bedürfnis werden.

Wer sich selbst ganz und gar geliebt weiß, der kann nicht anders, als diese Erfahrung wei­terzugeben. Und Johannes fährt fort: „Niemand hat Gott je geschaut; aber wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollendet.“ Johannes meint damit, dass wir Gott nicht sehen und be­greifen können; dass es keinen direkten Beweis für ihn gibt.

Aber aus dem liebevollen Umgang miteinander können wir wiederum etwas von Gottes Liebe ablesen.

Von der Wir­kung seiner Liebe können wir auf die Ursache dieser Liebe schließen: auf Gott selber. Damit ist Johannes eigentlich beim Ideal einer christlichen Gemeinde angelangt. Ge­meinde – das sind Menschen, die sich von Gott geliebt wis­sen, die darum diese Liebe weitergeben und von anderen empfangen und die daran erkennen, dass Gott mit ihnen und in ihnen ist.

Ich weiß, jetzt regen sich viele „Wenn und Aber“ in unseren Köpfen. Aber es bringt nichts, wenn wir nun anfangen, uns selbst oder unsere eigene Gemeinde mit diesem Ideal zu ver­gleichen und all das aufzuzählen, was dagegen spricht. Wei­ter bringt uns nur der Weg, den uns Johannes aufgezeigt hat. Und dieser Weg beginnt bei uns selbst mit dem ersten Schritt.

Wer erkennt, dass Gott die Liebe ist, und wer glaubt, dass Gott ihn liebt, der ist wieder Kind geworden.

Und mit dem grenzenlosen und ungebrochenen Vertrauen in die Liebe Gottes werden die Kinder Gottes lernen, auch ihre Brüder und Schwestern zu lieben. Sicher – es wird Ent­täuschungen geben. Aber wir dürfen daran glauben, dass menschliches Versagen nichts an Gottes Liebe zu uns er­schüttern wird.

Amen.

 

Hier ein schöner Pop-Song zu den Worten von Pater Peter Uzor: