Dramaturg Bernd Stegemann beschreibt sich als katholisch ungläubig

Der Dramaturg, Sachbuchautor und Kultursoziologe Bernd Stegemann, der Professor für Theatergeschichte und Dramaturgie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin ist, erklärte in der SRF-Sendung „Sternstunde Religion“, dass er als ungläubiger Mensch in religiösen Tugenden eine Chance sieht, Krisen anders zu denken. Dabei fordert er statt einer Rhetorik der Angst und Verbote mehr Demut.

Darauf angesprochen, dass er sich selbst als katholisch ungläubig beschreibt, erklärte Stegemann mit Blick auf seine katholische Sozialisation, dass es in seinem Leben „viele Alltagsrituale und magisches Denken“ gebe. Auch wenn er sich heute als ungläubig bezeichnet, beschäftigt er sich in seinem neuen Buch „Was vom Glauben bleibt. Wege aus der atheistischen Apokalypse“ mit der Dimension Glauben, weil es auch in seinem Leben eine große Sehnsucht gebe „nach einer anderen Art von Aufgehobenheit, als ich sie in meinem Leben in der säkularen Welt spüren und tatsächlich realisieren kann“, so der Hochschullehrer. Überdies habe er festgestellt, dass im säkularisierten Mitteleuropa überall noch „Glaubenssplitter“ vorhanden seien, die „zu so etwas wie Ideologien werden“. Als Beispiel für diese These nannte er das apokalyptische Szenario, auf dem etwa Die Letzte Generation ihre Protestaktionen aufbaut. Ein Problem entstehe dann, wenn dadurch „in den säkularen Raum ein Absolutheitsanspruch dringt“ und infolgedessen kein Dialog mehr mit dieser dann entstandenen Glaubensgemeinschaft möglich sei, so Stegemann.

In seinem neuen Buch „Was vom Glauben bleibt. Wege aus der atheistischen Apokalypse“ stellt Bernd Stegemann die religiöse Tugend der Demut der apokalyptischen Prophezeiung gegenüber und beschreibt dabei eine Kraft, die die Gesellschaft stabilisieren könnte. Dabei meine er nicht eine Demut, wie sie die Politik mit Verzicht durch gesetzliche Verbote und moralische Regeln postuliere. Vielmehr gehe es ihm um folgende Frage:

„Wie könnte eine religiöse Ansprache heute aussehen, die nicht über Verbote funktioniert, sondern im Menschen selbst eine Sehnsucht nach Demut weckt?“

Dabei sei eine Ansprache entscheidend, „die es ermöglicht, Demut neu zu entdecken“.

Quelle: srf.ch

 

Als im Herbst sein Buch „Was vom Glauben bleibt. Wege aus der atheistischen Apokalypse“ erschien, stellte sich Bernd Stegemann im COMMUNIO-Podcast „Communicatio“  der Frage, wie die Gesellschaft ohne Gott zurecht komme (wir berichteten).

Auf die Frage, ob er an seinem eigenen Unglauben auch mal zweifle, sagt der Berliner Dramaturg und Publizist mit Blick auf die Auseinandersetzung in seinem neuen Buch:

„Mein ganzes Buch ist der auf 250 Seiten ausgebreitete Zweifel eines Ungläubigen an seinem Unglauben. Damit könnte man es gut zusammenfassen.“

 

In seinem Buch stellt Bernd Stegemann fest, dass der Mensch von heute Glaubenskriege führe, ohne an Gott zu glauben. Dabei legt er eine hochaktuelle Bestandsaufnahme der Welt vor, in der das Individuum den Platz Gottes eingenommen hat. Bei der sich stellenden Frage, wohin eine Freiheit ohne Gott führe, sollten uns seiner Ansicht nach die Weltkriege und totalitären Herrschaften des 20. Jahrhunderts, Klimakatastrophen und massenhafter Konsum zu denken geben. In einer Zeit, in der schrill die Apokalypse verkündet werde, habe ausgerechnet ein hochmütiger Glaube an absolute Wahrheiten überlebt. Diesbezüglich stellt Stegemann fest, dass ideologische Übertreibungen, Populismus, Fanatismus und Fundamentalismus heutzutage allgegenwärtig sind. Auf diese Phänomene blickend betont er:

„Wohl keine Zeit war so orientierungslos und zugleich so erregt. Dabei wäre eine Umkehr nötig. Nur wenn wir anerkennen, dass unsere Ansprüche kein göttlicher Wille sind, wenn wir die Demut dem Bescheidwissen vorziehen, können wir die Welt bewahren oder sogar besser machen.“

Quelle: klett-cotta.de