Soziologe Detlef Pollack: Vertrauen und ehrenamtl. Engagement ist bei Gläubigen höher
Erst kürzlich erklärte der Religions- und Kultursoziologe Detlef Pollack im Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit, dass er in der Entkirchlichung einen Verlust für unsere Gesellschaft, für unsere Kultur sieht. Dabei prognostizierte der renommierte Religionsforscher, dass er den Niedergang der Kirchen für unaufhaltsam halte, was ihn als Gott suchender Mensch selbst berührt (wir berichteten). Nun fügte Pollack im Interview mit der F.A.Z. einen signifikanten Aspekt hinzu, der mit der Entkirchlichung einhergeht.
Der 67-Jährige bestätigte im FAZ-Interview seine pessimistische Sicht, „dass sich der Mitgliederverlust der Kirchen nicht nur fortsetzen, sondern noch weiter beschleunigen“ werde. Dabei betont er aber, dass er ein Verschwinden des Christentums oder der Religion an sich nicht erkennen kann, was er mit folgendem prägnanten Satz verdeutlicht:
„Ich kenne keinen Landstrich auf der Welt, in dem es keine Religion gibt.“
Pollack wuchs in der damaligen DDR in einem nicht religiösen Elternhaus auf. Trotz positiver Sicht auf die Kirche und vorhandener Sehnsucht nach Gott, beschreibt sich Pollack heute als suchenden Menschen mit Verbindung zur Kirche (wir berichteten).
Wie die Zeit berichtete, erklärte Detlef Pollack im Rahmen eines Vortrags über die Entchristlichung in Deutschland:
„Ich bin ein Kirchenchrist. Es ist bitter, zu sehen, was da gerade passiert. Was da an geistlichem Leben und Kultur verloren geht.“
Im aktuellen Gespräch mit der F.A.Z. verdeutlichte der renommierte Religionsforscher, was der Gesellschaft verloren geht, wenn der Glaube immer mehr verdunstet. So gebe es Erhebungen, die aufzeigten, dass gläubige Menschen ihren Mitmenschen mehr vertrauen als nicht gläubige Menschen. Der Unterschied sei signifikant, fügte Pollack an. Zudem sei feststellbar, dass sich gläubige Menschen stärker ehrenamtlich engagieren. Aus soziologischer Sicht würde mit dem Schwinden des Glaubens „ein Rückgang“ an Vertrauen und sozialem Engagement einhergehen, aber „kein Zusammenbruch“ dessen stattfinden. In diesem Kontext betont Pollack:
„Ich gehe wie der große Soziologe Talcott Parsons davon aus, dass die westlichen Gesellschaften viel stärker durch das Christentum geprägt sind, als ihre Bewohner das wahrnehmen.“
So hätten „Werte wie Gerechtigkeit, Mitleid, Demut“, die heute mit den Begriffen „Fairness, Empathie, Bescheidenheit“ beschrieben werden, in Europa „eine große Bedeutung“. Dazu merkt Pollack weiter an:
„Menschen, die von außen nach Europa kommen, bemerken diese Spuren des Christentums sehr deutlich.“
Zudem ist sich der 67-Jährige aber gewiss, dass „diese ethischen Orientierungen“ mittlerweile in den Gesellschaften des Westens „auf eigenen, säkularen Füßen stehen“ können.
Danach gefragt, ob ihm persönlich ohne Kirche und Christen auch etwas fehlen würde, erklärte der gebürtige Weimarer, der heute mit seiner Frau Hedwig Richter in Berlin-Friedenau lebt, dass er das, was einem ohne Kirche und Christen fehle, „regelmäßig in Ostdeutschland“ erlebe. Hier können man „in bestimmten Milieus bereits beobachten, was ohne Christentum fehlt“. Dazu betont Detlef Pollack:
„Ich erlebe da eine gedankenlose Unbarmherzigkeit, eine unverhüllte Zweckrationalität und eine ausgestellte Kulturlosigkeit, die mich abstößt.“
Den Kirchen rät er indes am System der Kirchensteuer festzuhalten, auch wenn insbesondere die Kirchensteuer „einer der größten Treiber der Austritte“ sei. Dies begründet Detlef Pollack damit, dass mit diesen Mitteln die Kirchen „weiterhin noch ein wenig Gutes tun“ können.
Inwieweit die christliche Prägung Auswirkungen auf soziales Engagement hat, verdeutlicht unser aktuelles Interview mit dem Kabarettisten Christian Springer, den das Vorbild von Pater Rupert Mayer bis heute inspiriert: