Gregor Gysi: „Dank der Bergpredigt von Jesus haben wir ein moralisches Gerüst, das allgemeinverbindlich ist“
Zusammen mit Karl-Theodor zu Guttenberg diskutiert Gregor Gysi seit einem Jahr im Podcast-Projekt von Herder gesellschaftliche und politische Themen. Nun wollen sie in ihrem Podcast auch die Religion zum Thema machen. Gegenüber domradio.de äußerten sich die beiden, welche Rolle Religion, Glaube und Kirche für unsere Gesellschaft heute spielen.
Im Frühjahr 2024 sprach der Lobbyist, Unternehmensberater, Fernsehmoderator, Autor und ehemalige Bundeminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Interview mit dem Magazin GRANDIOS über das Thema „Der Mensch – Wert und Würde des Menschen“ (wir berichteten). Dabei schilderte er auch, wie ihm sein Glaube im Umgang mit herausfordernden Lebenssituationen half. Dazu sagte er:
„Der Glaube hat mir geholfen. Gerade dort, wo sich der Glaube auf den Kern des Menschen konzentriert und einem hilft, die Ängste, die man nach all den Erfahrungen hat, ein stückweit zu verstehen und dem Leben einen sehr viel höheren Wert in der Gegenwärtigkeit zu geben.“
Im Dezember 2023 äußerte Karl-Theodor zu Guttenberg im Interview mit N-TV die Überzeugung, dass der Mensch an sich mit Blick auf „so viele ungeklärte Fragen im Leben“ ohne Religion nicht auskommen werde (wir berichteten). Dabei betonte er:
„Ich glaube, der Mensch braucht immer Religion. Das kann keine Yoga-Matte ersetzen.“
Im Interview mit domradio.de erklärte zu Guttenberg aktuell, dass er hoffe dass Religion, Glaube und Kirche weiterhin eine verbindende Rolle in der Gesellschaft spielen. Dabei umgibt ihn die Sorge, dass die christlichen Kirchen momentan zu sehr mit sich selbst kämpften und dadurch weniger die Botschaft übermittelten, „die diese Gesellschaft so sehr gebrauchen könnte“. Der 52-Jährige zeigte sich aber zur künftigen Bedeutung der Kirchen in der Gesellschaft nicht hoffnungslos und äußerte wie folgt seine Zuversicht zur Überwindung des Status Quo:
„Auf der anderen Seite hoffe ich auch auf gewisse Selbstheilungskräfte und ein Verständnis, das in beiden christlichen Kirchen wächst, dass ihre Aufgabe gefragter denn je ist.“
Der Rechtsanwalt, Autor, Moderator und Bundestagsabgeordnete der Linken, Gregor Gysi, zeigte sich in den letzten Jahren nicht müde, an verschiedenen Stellen zu betonen, dass er als nicht gläubiger Mensch die Bedeutung der christlichen Religion für die allgemeinverbindliche Moral in unserer Gesellschaft anerkennt. Diesbezüglich erklärte er bereits im April 2019 im Interview mit dem Tagesspiegel:
„Ich möchte auch keine gottlose Gesellschaft. Ich fürchte sie sogar.“
Er selbst sucht als nicht-gläubiger Mensch in der Bibel Orientierung für sein Leben. Im Juni 2019 titelte die Nordwest Zeitung mit der Headline „Gregor Gysi will auf Bibel nicht verzichten“. Im Rahmen der Reihe „Begegnungen am Willms“ am Willms-Gymnasium in Delmenhorst antwortete Gregor Gysi auf die Frage, auf welche drei Dinge er in seinem Leben nicht verzichten könne:
„Die Bibel. Ich glaube nicht an Gott, aber da stand schon früher alles drin.“
Auch das, was nicht gut ist im menschlichen Leben („der Schweinkram“) sei darin geschildert, so Gysi weiter. Neben der Bibel sei ihm Freundschaft „sehr wichtig“ und „als drittes“ wünsche er sich „eine wunderschöne Natur als Umgebung“.
Dass es gut und richtig ist, dass junge Menschen je nach ihrer zugrundeliegenden Überzeugung Religionsunterricht oder Ethikunterricht besuchen können, brachte Gregor Gysi 2018 an der Uni Bonn in einem Gespräch beim „Evangelischen Institut für berufsorientierte Religionspädagogik“ zum Ausdruck. Dort erklärte er, wie wichtig grundsätzlich das Verständnis von Religionen für die Toleranz und den gegenseitigen Respekt in der Gesellschaft ist. Weiter verwies er auf die grundsätzliche Wahlmöglichkeit zwischen Religionsunterricht und Ethikunterricht, indem er hervorhob:
„Der Religionsunterricht muss absolut freiwillig sein. Es darf weder ein Druck herrschen, nicht zum Religionsunterricht zu gehen, noch darf es eine Atmosphäre geben, dass du dich unmöglich machst, wenn du als Kind nicht zum Religionsunterricht geschickt wirst.“
Vom christlichen Religionsunterricht erwartet er, dass man das Alte und das Neue Testament kennenlernt und einem das erläutert wird und bestimmte Strukturen in den Kirchen erklärt werden. Er selbst habe in der damaligen DDR den Religionsunterricht nicht besucht. Darauf zurückblickend sagte er:
„Heute tut es mir insofern etwas leid, weil ich später Wissen nachholen musste.“
Zur Bedeutung, dass Religionsunterricht für Menschen, die mit Gottesbezug leben, angeboten wird, erklärte Gregor Gysi:
„Ich halte Religionsunterricht für wichtig, damit die Menschen und die Kinder, die religiös sind und wo das die Eltern wünschen, Schritt für Schritt die Strukturen begreifen, das Alte Testament verstehen, das Neue Testament verstehen.“
Auch für jüdische und muslimische Kinder müsse es die Möglichkeit zum Besuch ihres Religionsunterrichts geben. Dabei erinnerte Gysi an die positive und negative Religionsfreiheit, die in Schulen gewährleistet sein muss.
Im aktuellen Interview mit domradio.de hob Gregor Gysi nun abermals den Wert von Religion und Glauben hervor. Dabei gelte es zwischen „den Glauben an Gott überhaupt und der Kirche“ zu unterscheiden. Dazu betonte Gysi aber:
„Nur, die Religion ist und bleibt wichtig. Sehen Sie, dank der zehn Gebote, dank der Bergpredigt von Jesus haben wir ein moralisches Gerüst, das allgemeinverbindlich ist.“
Eine politische Partei wie zum Beispiel „Die Linke“, der er angehört, könne zwar auch Moralnormen formulieren, habe aber „gar nicht die Kraft, dafür zu sorgen, dass sie allgemeinverbindlich werden“. Diese Kraft habe nur die Religion, die es auch geschafft habe, eine allgemein verbindliche Moral grundzulegen, so Gysi.
Quellen: domradio.de, ntv.de, tagesspiegel.de, nwzonline.de, youtube.com